Studium und Menschsein (Auszug)
Qian Mu (1895-1990)
Ein Mensch zu sein bedarf schon von klein auf des Studiums. Und selbst im hohen Alter setzen Studium und Fleiß sich fort. Wie der Spruch „Man lernt nie aus“ schon sagt, ist der Lernprozess unendlich. Der Schüler, der in der Schule lernt, wird eines Tages einen Abschluss machen, aber im Menschsein macht er kein Examen. Selbst im Augenblick des Todes muss der Mensch den Tod vollbringen. Deswegen endet der Prozess des Menschseins erst im Tod.
Warum kann das Lesen einem dazu verhelfen, eine höhere Lebensform als Mensch zu erreichen? Weil man in Büchern sehr viele Persönlichkeiten kennenlernt. Diese Menschen haben einen weiten Horizont, sie sind erfüllt von tiefen Empfindungen und für dich als Vorbilder geeignet. Sie sind Auserwählte unter Millionen von Menschen und haben sich über lange Zeit bis heute bewährt: so wie Konfuzius – doch wieviele Konfuzius hat es in den letzten zweitausendsechshundert Jahren bis heute in China gegeben? Oder auch Shakyamuni, Jesus, Mohammed usw., die wir in ihrem Menschsein achten und ehren. Es gibt niemanden in der Welt, der durch einen Lottogewinn Millionär geworden ist und der Nachwelt dadurch bedeutungsvoll geblieben wäre. Selbst von Präsidenten oder Kaisern gibt es nur wenige, die der Menschheit in Erinnerung blieben und bewundert wurden. Wenn wir mit Ernst das Menschsein erlernen wollen, hilft uns dabei die lebenslange Maxime: „Entwickle deine Neigungen und Talente, und erweitere deinen Horizont.“
── aus Qian Binsi Xiansheng Quanji