Gelübde (Auszug)
Xu Dishan (1894-1941)
Ich hatte das Gefühl, dass die großen Felsen im Südlichen Putuo-Kloster nach der Regenzeit etwas sauberer waren, aber dass sich zugleich auch die Algen vermehrt hatten. Es war, als hätten uns die rötlichen Abendwolken am unendlichen Himmel eine Botschaft geschickt. Der Regenbogen über dem Wald war vom Sonnenlicht in sieben Farben geteilt worden.
Meine Frau saß auf einem Felsen, und als sie mich kommen sah, fragte ich sie:
„Wo warst du denn? Ich habe sehr lange auf dich gewartet!”
„Im Baumschatten zu sitzen ist wirklich angenehm. Wir sollten jeden Tag hierher kommen, das wäre wunderbar!”
„Warum sollte das nicht möglich sein?”
„Man sollte der Schatten sein, anstatt sich am Schatten zu erfreuen.”
„Du möchtest, dass ich so ein Schatten werden soll?”
„Was ist schon so ein Schatten? Mögest du zu einem Baldachin von unvorstellbar schönen Blumen werden, der Schatten für alle Lebewesen der Welt spendet! Mögest du zu einer reinen, hellen, wünscherfüllenden Perle werden, die Licht auf alle Lebewesen der Welt wirft. Mögest du zu einem Vajra werden, der alle Dämonen zähmt, besiegt und zudem all die Hindernisse in der Welt zerstört. Mögest du zu einer Ullambana-Schale mit unzähligen Schätzen werden, die alle möglichen Speisen enthält und damit all die hungrigen und durstigen Wesen der Erde ernähren kann. Mögest du sechs, nein 12, nein 100, Tausende, gar unzählige Arme besitzen, die die Wünsche anderer Leute erfüllen können und die für all die Bewohner dieser Welt gute Dinge vollbringen können!”
Ich sagte:
„Sehr schön, sehr gut! Aber ich möchte lediglich der feine Salzgeschmack sein, der alle Arten von Speisen durchdringt. Wenn mein Körper und mein Skelett zerstört werden, dann kehre ich wieder zur ursprünglichen Form des Meeres zurück und kann allen Lebewesen ewig den Geschmack des Salzes geben, ohne dass sie das Salz selbst sehen.“
Meine Frau sagte:
„Nur ein feiner Geschmack, kann der denn alle Lebewesen zufriedenstellen?”
Ich entgegnete:
„Wenn der einzige Nutzen des Salzes der feine Geschmack ist, dann sollte man es nicht ‘Salz’ nennen.”
── aus Xu Dishan Sanwen