Für Herrn Wei, einen Gelehrten im Ruhestand
Du Fu (712-770, Tang-Dynastie)
Zu leben, ohne sich zu treffen, ist wie Sternbilder, die sich voneinander wegbewegen.
Was ist das heute für ein Abend, an dem wir dasselbe Kerzenlicht teilen?
Ganz gleich, wie lange die Jugend dauern konnte, nun ist unsere Haarpracht bereits ergraut.
Feststellend, dass die Hälfte unserer Freunde bereits in der Geisterwelt ist, heulen wir schockiert und ungläubig auf.
Wie konnten wir ahnen, dass zwanzig Jahre ins Land ziehen würden, bevor ich erneut dein Zuhause betrete?
Bevor wir uns trennten, warst du noch unverheiratet.
Schau nun die Reihe von Jungen und Mädchen an, die den Freund ihres Vaters freudestrahlend begrüßen und fragen, woher ich komme.
Bevor ich meine Antwort geben kann, servieren die Kinder bereits Speis und Trank:
Frühlingszwiebeln im Abendregen geschnitten, frisch gedämpfter Reis mit gelber Hirse.
„Ein Wiedersehen könnte schwierig sein“, sagtest du, während du zehn Gläser Wein auf einmal einschenktest.
Die zehn Weinkelche machten mich nicht betrunken,bewegt war ich indes von deiner alten Zuneigung.
Morgen wird uns ein hoher Berg trennen, wenn wir wieder ins weltliche Geschehen eintauchen.
Gedanken einer nächtlichen Reise
Eine Brise weht über das grasbewachsene Ufer, allein der Mast eines Schiffes ragt in die Nacht.
Ein Stern scheint weit über das Land, der Mond folgt dem großen Fluss.
Rührt mein Ruhm vom Schreiben allein?
Vom Beruf gealtert und erkrankt, ruhe ich mich aus.
Ich treibe so dahin, womit lässt es sich vergleichen?
Zwischen Himmel und Erde, eine einsame Möwe.
── aus Quan Tang Shi