Das Halb-und-Halb Lied
Li Mi’an (Jahre unbekannt, Qing-Dynastie)
Schaut man auf das dahinziehende Leben in der Mitte von hundert Jahren,
so ist die Ernte unermesslich.
Die erste Hälfte der Lebenszeit hat viel geboten, in der anderen Hälfte wird sich noch viel entwickeln.
Eine Hälfte lebt in der Stadt, eine Hälfte lebt auf dem Land, gemeinsam sind uns die Häuser.
Eine Hälfte arbeitet in den Bergen, eine Hälfte zu Wasser, gemeinsam ist uns die Bewirtschaftung.
Eine Hälfte arbeitet körperlich, eine Hälfte arbeitet im Geiste, gemeinsam sind uns die Strapazen.
Eine Hälfte ist militärisch beschäftigt, eine Hälfte ist zivil, gemeinsam sind uns die Familien.
Eine Hälfte ist feinfühlig, eine Hälfte ist grob, gemeinsam ist uns das Werkzeug.
Eine Hälfte ist verziert, eine Hälfte ist funktional, gemeinsam ist uns das Produkt.
Kleidung ist zur Hälfte schlicht und zur Hälfte schrill,
Speisen sind zur Hälfte reichhaltig und zur Hälfte einfach.
Hilfskräfte sind zur Hälfte kompetent und zur Hälfte ungeschickt,
Ehefrauen sind zur Hälfte bescheiden und zur Hälfte vornehm.
Geisteszustände sind zur Hälfte Buddha gleich und zur Hälfte Geistern,
Namen geben zur Hälfte etwas preis und zur Hälfte nicht,
Eine Hälfte führt zurück zu Himmel und Erde, eine Hälfte überlässt es den Menschen.
Eine Hälfte des Denkens überträgt sich auf die Nachfahren, eine Hälfte verschwindet.
Beim Weingenuss ist halbtrocken gerade richtig,
bei den Pflanzen sind halb geöffnete Blüten besonders schön.
Das Segel auf Halbmast bewahrt das Boot vorm Kentern,
ein Pferd kann besser mit halbem Halfter geführt werden.
Die Hälfte, welche spärlich ist, erfüllt die Geschmacksknospen,
während die Hälfte, welche übermäßig ist, sie abweist.
Bitterkeit und Süße haben sich stets gut mischen lassen,
klug sind jede, die sich die gute Hälfte zu Nutzen machen.
── aus Shei Zuihui Xiangshou Rensheng