Melodie des fallenden Regens
Liu Yong (987-1053, Nördliche Song-Dynastie)
Schwermütig zirpten die Zikaden, als wir spät am Abend den Pavillon erreichten. Der plötzliche Regenguss kam zum Stillstand.
Unter dem Zelt vor dem Stadttor tranken wir, ohne in Stimmung zu sein. Wir wollten nicht gehen, aber das Magnolienboot drängte zum Aufbruch.
An den Händen haltend schauten wir uns gegenseitig in die tränenreichen Augen, stumm, an unseren Worten erstickend.
Der Gedanke an die Abreise, hinfort über tausend Meilen nebligen Wassers, trotz dichtem Abenddunst war der südliche Himmel unendlich.
Verliebte durchlitten seit jeher kummervolle Abschiede, ganz zu schweigen von einem so kalten und einsamen Herbst.
Wo sollte ich nach jener Nacht nüchtern aufwachen? Vielleicht am Weidenufer, in der Morgenbrise unter dem untergehenden Mond.
Mit dieser Abreise, nun schon vor über einem Jahr, würden alle guten Zeiten und schönen Aussichten vergebens sein.
Selbst wenn es tausende Gefühle in meinem Herzen gäbe, wem könnte ich diese anvertrauen?
── aus Quan Song Ci
Fliegende Elster in der Nacht
Melodie: The Pearl of Dawn
Lü Bicheng (1883-1943)
Die Seele der Jugend, verfangen in einem Netz der Besudelung, wer kann seine Ketten durchbrechen?
Verstehe umfassend die zwölf Glieder des abhängigen Entstehens.
Vertraue auch auf die Vier Edlen Wahrheiten als Weisung, halte die Blume* als Symbol für die Übermittlung von Herz zu Herz.
Die wundersamen Töne der Kalavinka-Vögel** warnen die Raubvögel, es ist schwierig, in einem brennenden Haus Frieden zu finden.
Warum das Schwarze Meer ertragen, warum dem starken Sturm und den Rakṣas***, die das Boot zerfetzen, freie Hand lassen?
Betrachte die Dunkelheit, die illusorische Natur des Geistes, die zwischen Himmel und Erde steigt und fällt.
Erinnere dich daran, wie du tausend Kalpas durchlebtest, voller Wünsche, verschwunden im Rauch.
Die Frucht eines Arhat ist, die „Nicht-Geburt“ zu erlangen, die Fischerreuse hinter sich zu lassen.
Sich wie ein Schmetterling sanft zurückzuziehen, ist ein Geheimnis, eine kleine Prüfung auf der ersten Stufe der Meditation.
* Dies bezieht sich auf die Situation, als Buddha eine Blume vor einer stillen Gemeinde hielt und nur Mahākaśyapa verständnisvoll entgegen lächelte.
** Kalavinka-Vögel besitzen einen menschlichen Kopf und einen Vogelkörper mit einem langen, fließenden Schwanz.
*** Rakṣas sind Dämonen, die angeblich Menschen verschlingen.