Der Mann mit dem weißen Haar
Liu Xiyi (651-679, Tang Dynastie)
Östlich der Stadt Luoyang gibt es Pflaumen- und Pfirsichblüten;
sie wirbeln durch die Luft, auf wessen Haus werden sie fallen?
Die Frauen Luoyangs glänzen in ihrer Schönheit;
sie sehen die Blüten fallen und seufzen tief.
So wie die Blätter in diesem Jahr fallen, verändern sich auch ihre Gesichter;
wer wird nächstes Jahr noch da sein, um die Blumen erneut blühen zu sehen?
Ich habe gesehen, wie die Pinien und Eichen zu Brennholz geschnitten wurden;
ich habe gehört, wie sich Felder von vertrockneten Maulbeerbäumen in einen Ozean verwandelten.
Die Menschen von früher leben nicht mehr im Osten von Luoyang;
die Menschen heutiger Zeiten spüren den Wind, der die Blüten zum Fallen bringt.
Jahr um Jahr scheinen die Blüten die gleichen zu bleiben,
während die Menschen sich unentwegt ändern.
Wenn Komplimente an die Frauen in all ihrer Schönheit gehen,
so müssen auch Worte des Mitleids an den alten Mann mit dem weißen Haar gehen, der bereits halb tot ist.
Dieser alte Mann mit dem weißen Haar ist allzu bemitleidenswert,
denn er war auch mal ein junger, schöner Mann.
Er saß mit vornehmen Menschen unter den duftenden Bäumen,
sie tanzten und sangen im Antlitz der fallenden Blätter.
An strahlend funkelnden Seen und auf wunderschön weiten Terrassen,
unter malerischen Pavillons malten sie Bilder von den Unsterblichen.
Wird man erst einmal krank, so verlassen einen auch die Freunde;
wo sind all die Gäste der Frühlingsfeste hingegangen?
Wie lang wird die Schönheit der jungen Frauen andauern?
Auf einmal ist da nur noch weißes, ungeordnetes Haar.
Schau dir die Plätze an, an denen einst gefeiert wurde;
jetzt sitzen dort nur noch Vögel einsam in abendlicher Dämmerung.
── aus Quan Tang Shi
Mondnacht bei Blumen am Frühlingsfluss
Zhang Ruoxu (ca. 600-720, Tang-Dynastie)
Der Pegel des Frühlingsflusses hebt sich zum Meeresspiegel,
der helle Mond auf dem Meer hebt sich mit der Flut.
Welche Stelle des Frühlingsflusses ist schon ohne Mondlicht,
während er mit den Wellen für tausende Meilen wandert?
Der Fluss windet sich durch grüne Felder,
im Mondlicht scheinen Blumen und Bäume wie Eiskristalle.
Der Frost in der Luft steigt unbemerkt auf,
der weiße Sand am Ufer ist nicht mehr zu sehen.
Fluss und Himmel sind von gleicher Farbe ohne Spuren von Staub;
einsam wandert in heller, weißer Leere der Mond.
Wer hat vom Flussufer aus zuerst den Mond gesehen?
und wann hat der Mond auf dem Fluss zuerst auf die Menschen geschienen?
Auch wenn die Menschen unzählige Generationen durchleben,
ist der Mond auf dem Fluss Jahr um Jahr stets derselbe geblieben.
Niemand weiß, auf wen der Mond auf dem Fluss wartet,
einzig sieht man, wie das Wasser des Yangtze hinfort fließt.
── aus Quan Tang Shi