Dem Leben und Sterben entgegentreten
Ehrwürdiger Meister Hsing Yun (1927-, Fo Guang Shan)
I
In der Schule vom “Reinen Land” wird der Tod als Wiedergeburt angesehen. Zu sterben ist wie auf eine Reise in ein anderes Land zu gehen, oder in ein neues Haus zu ziehen. Kann der Tod somit nicht auch eine schöne Angelegenheit sein?
Zu sterben ist lediglich der Wechsel zwischen zwei Phasen, der Beginn eines Lebens in einem anderen Körper. Nach dem Tode sind wir wie ein Einwanderer, der in ein fremdes Land gekommen ist. Das Kapital, das wir haben, ist unser Leben. Solange wir dieses Leben tugendhaft führen, müssen wir keine Angst haben, dass wir in dem neuen Land nicht überleben können. Deswegen gibt es keinen Grund, unnötige Angst zu haben; wenn der Tod kommt, dann müssen wir die Situation akzeptieren, wie sie ist, ohne dabei verzweifelt zu werden.
II
Im Buddhismus gibt es viele sehr weit fortgeschrittene Mönche, die mit Freude über das Leben und Sterben reflektieren. Sie glauben, dass man mit Frohsinn in das Leben treten soll und genauso auch mit Frohsinn das Leben wieder verlassen soll. Denn das Kommen und Gehen, das Leben und Sterben kennen keine Pause.
In der Geschichte hat es Zen-Meister gegeben, die beim Bestellen der Felder gestorben sind; es hat welche gegeben, die ihre eigenen Beerdigungsrituale gehalten haben, bevor sie gestorben sind; es hat welche gegeben, die die Flöte spielend ein Boot gesegelt haben und so gegangen sind; es hat welche gegeben, die erst nach Osten und Westen gereist sind, ihren Freunden und Verwandten auf Wiedersehen gesagt haben und dann gegangen sind. “Man kommt, weil andere Wesen kommen; man geht, weil andere Wesen gehen.” Auf diese Weise gibt es keinen Grund, Anhaftung zu entwickeln.
── aus Mi Wu zhijian