Nachtwanderung beim Chengtian-Kloster
Su Shi (1036-1101, Song-Dynastie)
12. Tag des 10. Mondmonats, Yuanfeng-Ära
Abends, als ich mich gerade umziehen wollte, um mich für den Schlaf fertig zu machen, schien das Mondlicht durch das Fenster ins Zimmer, und ich stand vergnügt auf, um einen Spaziergang zu unternehmen.
Daran denkend, dass mich niemand begleitete, ging ich zum Chengtian-Kloster, um nach Zhang Huaimin zu suchen, der ebenfalls noch nicht schlief, und wir gingen zusammen in den Hof.
Der Hof war so hell, als sei er mit Wasser bedeckt, mit Wassergräsern und Blüten der Seerosen, ineinander verschlungen; tatsächlich handelte es sich jedoch um die Schatten von Bambusbüschen und Zypressen.
Welche Nacht ist ohne Mond? Welcher Ort ist ohne Zypressen? Doch wie selten sind erst sorglose Männer wie wir beide.
Wann erscheint der helle Mond?
Melodie: Vorspiel zur Wassermusik
Su Shi (1036-1101, Song-Dynastie)
Mittherbst, im Jahre 1076. Ich trank, bis die Sonne aufging und war sturzbetrunken. Ich vermisste meinen Bruder Ziyou und schrieb diesen Text.
Wann erscheint der helle Mond? Ich hebe meine Tasse und frage den Nachthimmel: Weißt du, welches Jahr im himmlischen Palast ist?
Ich wünschte mit dem Wind dorthin heimkehren, einzig fürchte ich die Diamantentürme und Jadehallen, ertrage ich doch die Kälte in solch hochgelegenen Orten nicht.
Ich erhebe mich und tanze mit meinem Schatten, wie ist es doch in der menschlichen Welt? Der Mond kreist um die rote Kammer, die durchscheinenden Fenster, und leuchtet auf den Schlaflosen. Ich sollte kein Bedauern hegen. Warum ist er immer voll, wenn wir getrennt sind?
Die Menschen haben Freud und Leid, Kommen und Gehen. Der Mond hat hell und dunkel, voll und leer. Dies alles ist seit jeher schwerlich vollkommen. Doch wünschte ich mir, dass der Mensch ewig lebt und mit der Schönheit des noch so fernen Mondes vereint ist.
Erinnerungen an die Roten Klippen*
Melodie: Die Anmut Niannus
Su Shi (1036-1101, Song-Dynastie)
Der Fluss fließt nach Osten, seine Wellen waschen alle ehrwürdigen Helden alter Zeiten hinfort.
Westlich der alten Festung sprechen sie über Zhou** aus der Zeit der Drei Streitenden Reiche an den Roten Klippen.
Tosende Steine wirbeln durch die Luft, tobende Wellen peitschen gegen das Ufer, sich aufbäumend wie tausend Haufen Schnee.
Flüsse und Berge wie ein Gemälde, eine Zeit so vieler Helden! Ich denke zurück an Zhou Yu in jenem Jahr, frisch vermählt mit der jungen Qiao***, schneidig und klug.
Ein flatternder Fächer, ein blaues Seidenband, zwischen Plaudern und Lächeln. Die Wei-Armee stieg pulverisiert in Rauch auf.
Ich denke an das alte Land, du lachst mich aus angesichts meiner Sentimentalität; schon früh wuchsen mir graue Haare.
Das Leben ist wie ein Traum, mein Becher Wein stößt mit dem Mond im Fluss an.
── aus Dongpo Ci
* Ort einer entscheidenden Schlacht während der Zeit der Drei Streitenden Reiche.
** Zhou Yu, einer der wichtigsten Generäle des Königreichs Wu.
*** Frau von Zhou Yu, bekannt für ihre Schönheit.