Gleichnisse
Ehrwürdiger Meister Hsing Yun (1927-, Fo Guang Shan)
I
Es war einmal ein reicher Mann, der das Leben als bedeutungslos empfand. Er ging zu einem Philosophen, in der Hoffnung, dass dieser Angst und Besorgnis in seinem Herzen vermindern könne.
Der Philosoph führte den Mann vor ein Fenster und fragte: „Was sehen Sie?“ „Ich sehe Männer, Frauen und Kinder“, antwortete der Mann.
Der Philosoph führte ihn sodann vor einen Spiegel und fragte: „Was sehen Sie jetzt?“ „Ich sehe mich“, sagte der Mann.
Der Philosoph erklärte: „Sowohl Fenster als auch Spiegel bestehen aus Glas, aber eine Seite des Spiegels ist mit einer Quecksilberschicht überzogen, sodass Sie andere nicht sehen können, nur sich selbst.“
Der reiche Mann hörte und verstand.
II
Kaiser Taizong aus der Tang-Dynastie, auch bekannt als Li Shimin, fragte einst Meister Xuanzang: „Ich möchte der Mönchsgemeinschaft, dem Saṃgha, Opfer darbringen, aber ich hörte, dass die meisten Mönche heute gar nicht spirituell ausgebildet sind. Was soll ich tun?“
Meister Xuanzang antwortete: „Obwohl die Stadt Kunshan Jade produziert, befindet sich dort mehrheitlich Schlamm. Obwohl die Stadt Lishui Gold produziert, ist es mehrheitlich mit Schutt versetzt. Obwohl eine Arhat-Statue aus Ton geformt und aus Holz geschnitzt ist, führt der Respekt ihr gegenüber dennoch zu karmischen Verdiensten. Obwohl Buddha-Statuen aus Kupfer und Eisen gegossen sind, zieht deren Zerstörung schlimme Strafen nach sich. Obwohl Tondrachen nicht in der Lage sind, Regen zu bringen, sind sie bei Regengebetszeremonien noch immer unerlässlich. Der Saṃgha muss nicht unbedingt segensreich sein, aber zur Kultivierung von Verdiensten bedarf es dennoch des Respekts gegenüber dem Saṃgha. Wichtig ist der Mensch, der die Opfer darbringt, und dass ihm gelingt, gegenüber den Statuen den Geist der Nächstenliebe und des Respekts hervorzubringen.“
Kaiser Taizong ging mit einem Mal ein Licht auf und er sprach: „Ganz gleich, welchen Mönchen ich begegne, von diesem Tag an werde ich sie mit demselben Respekt verehren, den ich Buddha zolle.“
── aus Xingyun Riji