Die schöne Lady Yu · Dem Regen lauschen
Jiang Jie (1245-1301, Südl. Song-Dynastie)
In meiner Jugend
lauschte ich in meiner Kammer dem Regen.
Er war wie ein Seidenvorhang bei Dämmerung im roten Kerzenschein.
In meiner Lebensmitte
lauschte ich auf einem Reiseschiff dem Regen,
tief hingen die Wolken über dem weiten Strom,
vereinsamte Wildgänse riefen vom Westwind herbei.
Und heute
lausche ich in der Hütte eines Mönchs dem Regen,
meine Haare weiß wie ein Sternenmeer.
Wie ist der Rückblick auf Leid und Freud, auf Trennung und Vereinigung ganz frei von Leidenschaft.
So lass es auf die Stufen regnen, bis die Morgenröte anbricht.
── aus Zhushan Ci
Tang Duoling · Die widerwillige Trennung
Wu Wenying (1200-1260, Südl. Song-Dynastie)
Woher kommt sie, die Schwermut?
Im Herzen der sich Trennenden dominiert der Herbst.
Selbst wenn der Regen sich legt, rauscht der Wind zwischen den Bananenstauden.
Viele meinen, die Luft sei am besten in der kalten Nacht.
Ich jedoch fürchte im klaren Mondschein,
den Turm zu besteigen.
Was in der Vergangenheit geschah, flog wie im Traume dahin,
wie die Blume verwelkt und Wasser versickert.
Die Schwalbe nimmt schon in Richtung Heimat Abschied, doch der Reisende verbleibt in der Fremde.
Die herabhängenden Weidenzweige haben ihren Rock zwar nicht gefesselt, aber mein Boot halten sie weiter fest.
── aus Hua’an Cixuan Xuji